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Donnerstag, 3. März 2011
Kein Klischee
Aus dem alten Testamente.stahler, 22:45h
Soest: Ich hatte sowieso angekündigt hier ein paar ältere Dinge einzustellen. Nun gibt es sogar einen Anlass.
Vor ein paar Jahren ging ich an einem sonnigen Nachmittag durch die Soester Innenstadt. Beim überqueren des Marktplatz sah ich ein Mammut. Es war groß und haarig und stand bei Wensel vor einem der Schaufenster. Dort betrachtete es das Rosenthal Geschirr in der Auslage. Von weitem hatte ich es erst für einen dicken, schlecht rasierten Mann mit ausgeprägter Rückenbehaarung gehalten, der sich unter jeden Arm ein Baguette geklemmt hatte. Die anderen Passanten sahen das wahrscheinlich genauso, eine allgemeine Panik blieb jedenfalls aus. Erst das fehlende Goldkettchen machte mich auf meinen Fehler aufmerksam. Ich gesellte mich dazu und wünschte dem Mammut einen guten Tag. Es drehte bedächtig seinen großen Kopf zu mir herüber und schaute mich aus großen, alten Augen an. Nach kurzer Musterung sagte es zu mir: "Denken Sie nicht an einen Elefanten!"
Als es an meinem Gesichtsausdruck ablesen konnte, dass ich es verstanden hatte, wandte es sich wieder der Auslage zu. Das war nicht ganz das was ich erwartet hatte. Ein Mammut, ein Zeuge aus der Steinzeit, spricht zu mir und sagt dann: "Denken Sie nicht an einen Elefanten." Sehr seltsam. Weil ich aber noch mindestens eine Viertelstunde auf der Parkuhr hatte entschloss mich noch etwas zu bleiben. Aus den Augenwinkeln musterte ich meinen Nachbarn. Sein Fell war sehr dick und das arme Tier schwitzte in der prallen Sonne. In seinem Fell hingen Farne und Moose die so langsam von innen durchfeuchtet wurden und dem Koloss so ein ganz besonderes Aroma verliehen.
Der Dickhäuter, oder heißt es bei Mammuts Dickfeller, bemerkte, dass ich ihn inzwischen ziemlich offensichtlich anstarrte und wandte sich erneut an mich. Bei der Kopfdrehung rauschte sein linker Stoßzahn dicht an mir vorbei, so hatte es meine volle Aufmerksamkeit. "Keinen Fernseher zuhause?" Noch bevor ich mich aus meiner Verwirrung befreien konnte sagte es versöhnlich: "Entschuldigung, aber ich bin etwas spät dran." Danach wandte es sich erneut den Auslagen zu und machte keinerlei Anstalten sich zu seiner Verabredung zu begeben. Zu spät dran? Sicher, ein paar Millionen Jahre. Vielleicht war es ja zu spät dran zum aussterben. Ist wohl wie mit der Steuererklärung. Man nimmt es sich immer wieder vor und auf einmal hat man den Termin verpasst. Meist passiert auch nichts Schlimmes und man lässt es dann halt ganz bleiben. In diesem Falle würden nur ein paar Paläontologen sehr nervös werden. Stellen sie sich vor sie hätten jahrelang an teuren Unis studiert, Grabungen an den schönsten Orten der Erde durchgeführt und dann kommt ein Zeitzeuge aus dem Pleistozän daher und sagt ihnen dass alles was sie sich zusammengereimt haben ganz großer Kappes ist! Wäre doch peinlich, oder? "Was halten Sie eigentlich von dem Steinzeug hier unten?" riss mich das Mammut erneut aus meinen Gedanken. Sein Rüssel zeigte auf mehrere graue Suppentassen. "Die Henkel sehen ja wohl aus wie die Ohren..." Das Mammut starrte mich mit schreckgeweiteten Augen an. Dabei trippelte aus von einem Fuß auf den anderen. Durch die Erschütterung zitterten die Schaufensterscheiben in ihren Rahmen. Ob dieses Schauspiels schob ich, sehr viel leiser, nach: "... von Piet Klocke." Deutlich hörbar atmete der Kollos aus. "Und Leberwurstgrau ist ja wohl keine Farbe für ein Essgeschirr. Ich glaube aus einem Elefanten könnte man eine verdammt große Leberwurst machen." Da durchzuckte es das mächtige Tier als ob es der Blitz getroffen hätte. Panisch schaute es sich um und starrte dann durch das Schaufenster in den Laden. Dass ein Fahrrad, welches es bei seinen wilden Bewegungen aufgegabelt hatte, von seinem Stoßzahn baumelte merkte es nicht einmal. Um die Situation etwas zu entspannen schob ich hinterher: "Die toten Insekten in der Auslage sind auch nicht sonderlich schön." Daraufhin schwenkte es seinen Kopf in meine Richtung, so dass das Fahrrad laut scheppernd gegen die Schaufensterscheibe knallte, diese aber zum Glück nicht zerbrach. "Jetzt machen Sie mal aus 'ner Mücke keinen Elefanten" brüllte es mich
an. "Ganz schön dünnhäutig für einen Dickhäuter" wollte ich erwidern, aber dazu kam ich nicht mehr. Kaum hatte mich das Mammut angeschrien brach in dem Laden ein Inferno los! Es begann mit dem lauten Trompeten eines Elefanten, der sich aus dem Nichts materialisiert hatte. Danach hörte man das Poltern von Kochtöpfen die über den Boden rollten, das klirren von zerspringendem Glas sowie das Scheppern von berstendem Porzellan. Die Scherben des Schaufensters prasselten mir entgegen. Dazwischen die Schreie der Verkäufer und das poltern ihrer Schritte auf der Flucht aus dem Laden. Das Mammut hatte sich inzwischen abgewandt und trottete mit hängendem Kopf in Richtung Husemeyer davon. Das Fahrrad schraddelte dabei über das Pflaster. Es murmelte etwas wie: "Ich hab's noch gesagt." und auch vom Aussterben war die Rede. Ob es sich oder mich meinte konnte ich nicht verstehen.
Und darum ist in dem Eckhaus am Marktplatz heute kein Porzellanladen mehr.
Vor ein paar Jahren ging ich an einem sonnigen Nachmittag durch die Soester Innenstadt. Beim überqueren des Marktplatz sah ich ein Mammut. Es war groß und haarig und stand bei Wensel vor einem der Schaufenster. Dort betrachtete es das Rosenthal Geschirr in der Auslage. Von weitem hatte ich es erst für einen dicken, schlecht rasierten Mann mit ausgeprägter Rückenbehaarung gehalten, der sich unter jeden Arm ein Baguette geklemmt hatte. Die anderen Passanten sahen das wahrscheinlich genauso, eine allgemeine Panik blieb jedenfalls aus. Erst das fehlende Goldkettchen machte mich auf meinen Fehler aufmerksam. Ich gesellte mich dazu und wünschte dem Mammut einen guten Tag. Es drehte bedächtig seinen großen Kopf zu mir herüber und schaute mich aus großen, alten Augen an. Nach kurzer Musterung sagte es zu mir: "Denken Sie nicht an einen Elefanten!"
Als es an meinem Gesichtsausdruck ablesen konnte, dass ich es verstanden hatte, wandte es sich wieder der Auslage zu. Das war nicht ganz das was ich erwartet hatte. Ein Mammut, ein Zeuge aus der Steinzeit, spricht zu mir und sagt dann: "Denken Sie nicht an einen Elefanten." Sehr seltsam. Weil ich aber noch mindestens eine Viertelstunde auf der Parkuhr hatte entschloss mich noch etwas zu bleiben. Aus den Augenwinkeln musterte ich meinen Nachbarn. Sein Fell war sehr dick und das arme Tier schwitzte in der prallen Sonne. In seinem Fell hingen Farne und Moose die so langsam von innen durchfeuchtet wurden und dem Koloss so ein ganz besonderes Aroma verliehen.
Der Dickhäuter, oder heißt es bei Mammuts Dickfeller, bemerkte, dass ich ihn inzwischen ziemlich offensichtlich anstarrte und wandte sich erneut an mich. Bei der Kopfdrehung rauschte sein linker Stoßzahn dicht an mir vorbei, so hatte es meine volle Aufmerksamkeit. "Keinen Fernseher zuhause?" Noch bevor ich mich aus meiner Verwirrung befreien konnte sagte es versöhnlich: "Entschuldigung, aber ich bin etwas spät dran." Danach wandte es sich erneut den Auslagen zu und machte keinerlei Anstalten sich zu seiner Verabredung zu begeben. Zu spät dran? Sicher, ein paar Millionen Jahre. Vielleicht war es ja zu spät dran zum aussterben. Ist wohl wie mit der Steuererklärung. Man nimmt es sich immer wieder vor und auf einmal hat man den Termin verpasst. Meist passiert auch nichts Schlimmes und man lässt es dann halt ganz bleiben. In diesem Falle würden nur ein paar Paläontologen sehr nervös werden. Stellen sie sich vor sie hätten jahrelang an teuren Unis studiert, Grabungen an den schönsten Orten der Erde durchgeführt und dann kommt ein Zeitzeuge aus dem Pleistozän daher und sagt ihnen dass alles was sie sich zusammengereimt haben ganz großer Kappes ist! Wäre doch peinlich, oder? "Was halten Sie eigentlich von dem Steinzeug hier unten?" riss mich das Mammut erneut aus meinen Gedanken. Sein Rüssel zeigte auf mehrere graue Suppentassen. "Die Henkel sehen ja wohl aus wie die Ohren..." Das Mammut starrte mich mit schreckgeweiteten Augen an. Dabei trippelte aus von einem Fuß auf den anderen. Durch die Erschütterung zitterten die Schaufensterscheiben in ihren Rahmen. Ob dieses Schauspiels schob ich, sehr viel leiser, nach: "... von Piet Klocke." Deutlich hörbar atmete der Kollos aus. "Und Leberwurstgrau ist ja wohl keine Farbe für ein Essgeschirr. Ich glaube aus einem Elefanten könnte man eine verdammt große Leberwurst machen." Da durchzuckte es das mächtige Tier als ob es der Blitz getroffen hätte. Panisch schaute es sich um und starrte dann durch das Schaufenster in den Laden. Dass ein Fahrrad, welches es bei seinen wilden Bewegungen aufgegabelt hatte, von seinem Stoßzahn baumelte merkte es nicht einmal. Um die Situation etwas zu entspannen schob ich hinterher: "Die toten Insekten in der Auslage sind auch nicht sonderlich schön." Daraufhin schwenkte es seinen Kopf in meine Richtung, so dass das Fahrrad laut scheppernd gegen die Schaufensterscheibe knallte, diese aber zum Glück nicht zerbrach. "Jetzt machen Sie mal aus 'ner Mücke keinen Elefanten" brüllte es mich
an. "Ganz schön dünnhäutig für einen Dickhäuter" wollte ich erwidern, aber dazu kam ich nicht mehr. Kaum hatte mich das Mammut angeschrien brach in dem Laden ein Inferno los! Es begann mit dem lauten Trompeten eines Elefanten, der sich aus dem Nichts materialisiert hatte. Danach hörte man das Poltern von Kochtöpfen die über den Boden rollten, das klirren von zerspringendem Glas sowie das Scheppern von berstendem Porzellan. Die Scherben des Schaufensters prasselten mir entgegen. Dazwischen die Schreie der Verkäufer und das poltern ihrer Schritte auf der Flucht aus dem Laden. Das Mammut hatte sich inzwischen abgewandt und trottete mit hängendem Kopf in Richtung Husemeyer davon. Das Fahrrad schraddelte dabei über das Pflaster. Es murmelte etwas wie: "Ich hab's noch gesagt." und auch vom Aussterben war die Rede. Ob es sich oder mich meinte konnte ich nicht verstehen.
Und darum ist in dem Eckhaus am Marktplatz heute kein Porzellanladen mehr.
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