Montag, 21. März 2011
Frühstück
Aus der Diaspora
Ahrensburg: Ich hole mir noch eine Kleinigkeit vom Frühstücksbuffet. (Der des Autors unkundige Leser möge sich die feine Ironie bitte von jenem Personenkreis nahebringen lassen, der mich als Buffetfräse bezeichnet.) Zurück an meinem Platz fehlt das Geschirr. Es kam mir eben in Händen der freundlichen Hotelchefin entgegen. Nur die die Teekanne steht noch dort. Also angle ich mir eine Tasse vom leeren Nachbartisch und setzte mein Frühstück fort. Die Abräumerin steuert aus der Küche auf meinen Tisch zu, um im letzten Moment auf den freien Tisch neben mir einzuschwenken. Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie es in ihr arbeitet. Das Rätsel löst sich nach einem Seitenblick auf meinen Platz. Während sie die Hände vor den Mund hebt frage ich: „Aber Hausverbot habe ich noch nicht?“ In die einbrechende Heiterkeit erklärt die gute Frau, sie hätte mich einfach übersehen. Mein Tarnkäppchen funktioniert also.

Ein ähnliches Erlebnis hatte ich in Hannover. Dort operierte man wohl mit extrem knappem Geschirrbestand und ließ ständig zwei junge Damen kreisen, die alles einsammelten was nicht mehr in akuter Benutzung war. Ein geleert abgestelltes Müslischüsselchen hatte nicht einmal mehr die Gelegenheit in das Tischtuch einzusinken, da wurde es schon entfernt. Irgendwann legte ich beim Trinken eine Hand auf die Untertasse, um anschließend noch etwas vorzufinden, auf dem ich meinen Tee abstellen könnte. Wie gesagt: Hannover.

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Bonsoir Tristesse
Aus der Diaspora
Norderstedt: Es ist Sonntagabend und dieser Teil von Norderstedt ist aus der Retorte. Er besteht aus Betonklötzen in denen die Menschen wohnen. Verklinkerten Betonklötze, also im regionalen Stil. Das Hotel ist ein Betonklotz, in den man ein Jagdschloss als Restaurant geschraubt hat. Sonst erinnert es an einen englischen Ozeanriesen des vorletzten Jahrhunderts. Der allerdings auch schon mal abgesoffen ist.

Jede Siedlung braucht ein Zentrum. Dieses hat man gleich mitbetoniert. Zwei Reihen Doppelgaragen, deren Tore durch Schaufenster ersetzt wurden, stehen einander gegenüber. Der Innenhof ist konsequent mit Betonsteinen und Klinker gepflastert. Blumenkübel stehen im inneren dieser tristen Wagenburg. In der Beschreibung des Stadtplaners stand sicher etwas von „Anlehnung an eine mediterrane Piazza“. In der Dunkelheit hängt Regen, der noch keine Lust hat sich auf diesem Ensemble niederzulassen.

In einem der Läden ist ein Pizzadienst mit Imbiss. Er stand hier wahrscheinlich schon lange vor der Siedlung und die Doppelgarage wurde einfach drüber gestülpt. Die Theke besteht aus einer mit Dosenbier gefüllten Kühltheke und zusammengezimmertem, bröckelndem Resopal . Dahinter herrscht ein alternatives Ordnungssystem. Alles steht da wo gerade Platz ist. Verpackungen, Zutaten. Pizzaöfen und Gyrosspieße. An den Wänden vergilbte Stadtpläne. Ich hänge auf einem der Hocker und frage mich, während ich auf meine Pizza warte, warum ich die eigentlich bestellt habe. Im Radio singt der inzwischen verstorbene Israel Kamakawiwo'ole „Somewhere over the Rainbow“ Manchmal passt einfach alles.

Norderstedt ist noch immer zu besichtigen. Der perfekte Moment war nur am 14.3. zu erleben.

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Keine falsche Bewegung!
Aus der Heimatgemeinde
Meldorf: Die Sonne scheint auf den Deich, das Meer ist randvoll, und wenn der Wind nicht schwächer ist, dann ist er zumindest deutlich friedlicher. Und in meinem Kalender sind Termine in Bewegung gekommen. Auch weil ich meinen Kopf in der Vertikalen bewegte. So bewege ich mich nicht am Ufer entlang, sondern zum Auto und dies zurück nach Hause.

Werl: Ich helfe wieder beim Holzverladen. Beim fünften Scheit, den ich auf den Hänger wuchte, werde ich trotz wolkenlosem Himmel vom Blitz getroffen. Genau ins Kreuz. Heldenhaft, Männlich, Idiotisch versuche ich weiter zu machen, werde aber nach Hause geschickt.

Um die chemische Kriegsführung gegen meinen Körper zu starten, suche ich das örtliche Arsenal auf. Eine Laufschrift rät die eigene Abwehr zu stärken, während der Kunde vor mir mit osteuropäischem Akzent bedient wird. Ich werde den Gedanken nicht los, eine Sammlung Kalaschnikows unter dem Tresen vorzufinden. Dann bin ich dran. Schließlich landen zwei Salben in der engeren Auswahl. Die eine enthält Cheyennepfeffer und macht richtig warm, ist aber nichts für Anfänger. Ich entscheide mich für die mildere Alternative. Auch weil es meinem Rücken sicher nicht gut tut, wenn ich versuche mir das scharfe Zeug vom Kreuz zu lecken.

Seither umgibt mich diese Aura von Rheumasalbe, die zufällig anwesende Altenpfleger und Heiratsschwindlerinnen in hektische Betriebsamkeit versetzt. Gegen die neu eröffnete Stadtparfümeriekann ich aber nicht anstinken. Außerdem stelle ich fest, dass das Leben aus lauter falschen Bewegungen besteht. Zumindest wenn man Rücken hat.

Meldorf war am 12.3., der Blitzeinschlag einen Tag später. Dem Rücken geht es inzwischen besser, ich verzichte schon länger auf die Krankensalbung.

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