Dienstag, 12. April 2011
Zwei, drei, vier
Aus der Diaspora
Velbert: Die Schönheit der alten Hansestadt Soest liegt nicht in ihren ungezählten Einbahnstraßen begründet. Velbert, wo innerstädtischer Gegenverkehr vollkommen unbekannt ist, beweist dies eindrücklich. Wahrscheinlich wurde diese Form der Verkehrsführung nur gewählt, um die mühsam und unter falschen Versprechungen angesiedelte Bevölkerung am massenhaften Exodus zu hindern.

Weshalb ich mich bei meiner Abreise mit einer Lotsin verstärkte. Sie kennt nicht nur alle Fluchtwege aus Velbert hinaus, inklusive Lüftungsschächten, Abwasserkanälen und öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern auch um deren Notwendigkeit. Meine Fahrbereitschaft, den Haken über Essen zu schlagen, hatte also nichts mit Freundlichkeit zu tun, sondern der Furcht in Velbert zu stranden.


Velbert: In den Straßen hängen Hinweistafeln auf das „Schloss und Beschlägemuseum“. Hier huldigt man also verbogenem Metall. Wundert mich nach einem kurzen Gang durch die Stadt nicht.

p.s.: Hätte ich die Zeit gehabt, das Museum zu besuchen, wäre ich wahrscheinlich entzückt hinausgetänzelt. Es ist unglaublich was verbogenes Metall alles kann.


Velbert: Der geneigte Leser wie die aufrechte Leserin werden sich nun fragen, was mich überhaupt nach Velbert verschlug. Und warum ich nach der Ankunft nicht gleich wieder mein Fahrzeug bestieg, um mir die Erinnerungen an das gesehene mit Hilfe eines Brückenpfeilers aus dem Kopf zu schlagen.

Wenn Frauen Unsinn anstellen, liegt dies oft an einem Mann. Da ich keine Frau bin, sind dazu drei Männer nötig. (Wobei dies kein allgemein gültiger Umrechnungsfaktor ist.) Ort des Geschehens ist das „Jake’s“. Das Publikum lässt keine Zweifel, dass es sich dabei um eine echte Bikerkneipe handelt. An den Tisch tritt ein Mann mit Kapuzenshirt sowie einer mit Aufnähern verzierten Kutte und spricht die unmissverständlichen Worte: „Entschuldigung, können wir uns dazustellen?“ Kein Wunder, dass ein Schild aufklärt: „Das Besteigen von Tischen, Stühlen und Theke geschieht auf eigene Gefahr.“ An der Wand ein Trikot vom heimischen Sportverein „BSE Velbert“. Hier wundert mich gar nichts mehr.

Douglas Adams beschrieb den Reiseführer „Per Anhalter durch die Galaxis“ in einer vierteiligen Trilogie in fünf Bänden. Hier treten drei Mann als „Dos Hombres“ auf und haben noch einen Reservehombre auf der Ersatzbank. Und um beim Sportreportervokabular zu bleiben: Hier herrscht eine Spielfreude, dass mancher Bundesligaverein zur Fortbildung kommen sollte. Die Jungs geben vier Stunden lang alles, feixen sich gegenseitig zu und spielen einfach großartig. Schon die Bühnenverpflegung macht klar: Das ist Rock’n’Roll! Ein Whiskey on the rocks. Zwei Flaschen stilles Wasser. Eine Flasche Cola light. Ein hartgekochtes Ei. Wie die Stones in ihren besten Zeiten. Die Stimmung ist klasse, das Publikum weiß sich zu benehmen. Wurde auch extra aus Wuppertal eingeflogen. Wir bleiben bis zum Ende. Beinahe vergessen, wo wir sind.


Bochum: Der Sonntag ist zwei Stunden alt und die A40 führt nach Osten, in Richtung Heimat. Die Kombination aus Frühlingstemperaturen und Geschwindigkeitsbegrenzung erlaubt es, das Seitenfenster zu öffnen und den Ellenbogen heraushängen zu lassen. Fahrtwind und AC/DC halten die Müdigkeit in Schach. Die Strecke wird nicht nur von den Warnbaken der Baustellen beleuchtet, sondern auch von Wohnhäusern, Straßenlaternen und Tankstellen entlang der Autobahn. Glanzlicht ist die Regenbogenbrücke in Dortmund Dorstfeld. Ich komme vom Land, mich kann man mit ein paar bunten Lichtern beeindrucken.

Die Püttis waren nicht umsonst Kulturhauptstadt 2010.

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