Montag, 17. Dezember 2012
Sternenbeschau
Aus der Heimatgemeinde
Werl: In unserer hochtechnisierten Welt sind viele Arbeitsabläufe von Grund auf umgekrempelt worden. Computer, Digitalfotografie und Datenfernübertragung haben die Art eine Tageszeitung zu produzieren einschneidend verändert. Doch manches ändert sich nie. Noch immer ist das Horoskop die am wenigsten aufwendige Rubrik. Während der Wetterbericht wenigstens ein Mindestmaß Realitätsnähe enthalten sollte (außer man hält sich durch verquaste Formulierungen den Rücken frei), ist die sternenbasierte Lebenshilfe davon völlig unabhängig.

Höhepunkt jeder Redaktionssitzung bildete in den alten Tagen die Komposition des astrologischen Dutzends. Die Glücksfee, deren Amt sowohl von einer jungen Volontärin als auch dem verschwitzten Anzeigenredakteur mehr oder weniger spärlich bekleidet werden konnte, erstellte vom Zufall assistiert die Kollage des Schicksals. Ihr als Füllhorn diente eine Unmenge seit Generationen zusammen getragenen Weisheiten. Von Kalendern und Konkurrenzpublikationen abgeschrieben, den Poesiealben der Kindheit entnommen, hinter dem Zelt der Rummelwahrsagerin eilig mit stenografiert oder aus dem Werksverkauf der Glückskeksproduktion, weil dort wegen Überlänge zu Ausschuss degradiert. Als Karteikarte aus einem unscheinbaren Kasten gezogen und laut verlesen, wurde das Verkündete sodann dem oder der unter diesem Sternbild geborenen zugordnet und unter großem Hallo kommentiert. Manch Krieg in einem abgelegenen Teil der Welt geriet so schon für kurze Zeit in Vergessenheit.

Inzwischen dürfte ein elektronischer Zufallsgenerator das Ressort übernommen haben. Und wiewohl mir der Glaube fehlt, so lese ich doch gern zum Frühstück die mir zugedachte Lebenshilfe. Vergegenwärtige mir immer wieder die Allgemeingültigkeit (Von der jeder Schreiber des Wetterberichts nur träumen kann), um nicht eine Gültigkeit für mich in Betracht zu ziehen, weil sich das Gedruckte nur allzu leicht auf mein Leben adaptieren lässt. Aber manchmal möchte ich denen auch einfach nur eins in die Fresse hauen.

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