Freitag, 5. Juli 2013
Der Längste Tag
Aus der Diasporae.stahler, 15:38h
Planet Erde: Die Natur folgt seit Anbeginn der Welt festen Rhythmen und Bahnen. Der Mitteleuropäer, der Anfang Juli damit liebäugelt die Winterreifen aufzuziehen, mag den Glauben daran vielleicht verloren haben, doch unsere Vorfahren lebten diese Zyklen, noch lange bevor sie die Zusammenhänge erkannten. Was zu seltsamen Riten (z.B. Sonnenwendfeiern), mystischen Ringen (wie in Stonehenge) oder gar Menschenopfern (zumindest fühlt sich mancher Schwede nach der Mittsommernacht so) führte.
Werl: Von mir wollte dieser 21. Juni 2013 nichts wissen. Als ich theoretisch am längsten hätte wach bleiben können, schickte mich dieser Tag, nachdem die ganze Woche schon nicht sonderlich nett zu mir war, bereits um fünf ins Bett. Ein paar letzte Vorbereitungen traf ich noch tief in der Nacht, aber das war es auch schon.
Wer an einem (arbeitsfreien) Samstag bereits eine halbe Stunde bevor der Wecker unter der Woche läuten würde aufsteht, muss einen am Helm haben. Was der Navigator eindrucksvoll bewies, als er an Treffpunkt eins vorfuhr. Die Kombination aus weißem Bauhelm und verspiegelter Sonnenbrille gemahnte an eine grauenvolle Allianz von Village People und Extasy. Angeblich zehrt er noch heute von meinem Gesichtsausdruck. Diesen konnte ich etwas später selbst bewundern, auf dem Gesicht von Etienne Vallaint. Er sollte für den Tag unser Führer sein.
Nürburgring: Auch wenn wir keine Himalaya Expedition unternahmen, ist es trotzdem praktisch sich der Dienste eines einheimischen Führers zu versichern. Nun wohnt Etienne Vallaint zwar zwei Stunden von der Eifel entfernt, und trotzdem kennt er sich rund um den Nürburgring bestens aus. Das liegt daran, dass er Benzin im Blut hat. Was dazu führt, dass er gerne schnell Auto fährt. Und sympathischer Weise tut er dies nicht vor Kindergärten, in Wohngebieten oder auf der Autobahn (wovon ich mich auf einer sehr entspannten Anreise im Konvoi überzeugen konnte), sondern auf einer abgesperrten Rennstrecke. Dann aber mit Herzblut und Helm, Rennanzug und einem kaum noch alltagstauglichen Auto, sowie speziellen Reifen, die das Wochenende kaum überleben. Doch zunächst waren die Profis dran.
Boxengasse: Es stand ein Lauf zur VLN Langstreckenmeisterschaft auf dem Programm. Ab neun ist Training, wo die Startaufstellung ermittelt wird. Um zwölf beginnt das Rennen und um vier ist der Spuk vorbei. Am Sonntag gehört das fahrende Volk wieder den Familien. Geboten wird Motorsport zum Anfassen. Was man aber tunlichst unterlassen sollte. Hier teilen Menschen ihre Leidenschaft, die viel Zeit und noch mehr Geld verschlingt, mit allen die es interessiert. Wer sich hier wachen Auges und mit entsprechender Vorsicht umsieht, muss nur noch aufpassen, dass er niemanden mit seinen Mundwinkeln um rempelt.
„Musik wird oft als Lärm empfunden, da stets sie mit Geräusch verbunden.“ Auch wenn Wilhelm Busch etwas anderes meinte als die Trillerpfeifen der Streckenposten, das Rattern der Schlagschrauber und das allgegenwärtige Brüllen hoch gezüchteter Motoren. Hatte ich erwähnt, wie großartig ich das fand?
Haupttribüne: Nach dem Training, einem Gang durchs Fahrerlager mit Begrüßung der Heimmannschaft durch Etienne Vallaint, einem Imbiss der als Hommage an die Randsteine der Rennstrecke in Rot-Weiß gehalten war, einem Rahmenrennen welches an den Hornissenflug von Rimski-Korsakov erinnerte und dem Besuch der Startaufstellung, wo sich der Navigator mit 100% der anwesenden Gridgirls ablichten ließ, landeten wir rechtzeitig zum Start auf der Haupttribüne.
Hat es eigentlich schon Versuche gegeben, ob alle genau so viel sehen wenn sie sich hinstellen, als wenn sie sitzen bleiben? Seltsames Massenphänomen halt. In drei Startgruppen donnerten 180 Rennwagen an uns vorbei, wobei die Lautstärke nicht proportional zur Geschwindigkeit war. Nach nur wenigen Runden war eine gewisse Durchmischung erreicht, und die Führenden pflügten durch die langsameren Teilnehmer. Ich nahm mir vor, noch mal „Le Mans“ mit Steve McQueen zu schauen. Derweil zogen wir weiter, um das Rennen auch noch von anderen Stellen aus zu betrachten.
Wir verließen die Strecke durch das Mausoleum. Milliarden wurden hier von Politikern begraben und haben aus der einst profitablen Nürburgring AG einen Pflegefall gemacht. Geplant als Dauerkirmes in Nirgendwo schimmelt nun alles vor sich hin.
Adenau: Den Supermarkt kannte ich. Vor einiger Zeit hatte es mich beruflich hierher verschlagen, und die Wanddekoration blieb mir in Erinnerung. Wo sonst Bilder von Obst, Gemüse und Wurst hängen, sind es hier Rennwagen und Motorräder in abenteuerlichen Schräglagen. Die nahegelegene Unterführung hatte ich damals schon bemerkt, doch nun lernte ich, dass der Streckenabschnitt Breidscheid hier den Ort zerteilt. Von der Böschung aus beobachteten wir das Spektakel.
Am Waldrand: Hier bremste eine Schranke den Ortskundigen Etienne Vallaint aus. Die Alternativen Akkuflex und Fußmarsch schieden aus, so zogen wir weiter.
Döttinger Höhe: Auf der Längsten Gerade des Nürburgrings flogen die Wettbewerber an uns vorüber. Meine Kamera bewies dabei ihre Qualitäten. Der Sportmodus besitzt eine Serienbildfunktion und die Lücken zwischen den Autos sind gestochen scharf.
Wir standen an der Zufahrt, wo nach dem Rennen jeder gegen einen Obolus seine Fähigkeiten am Volant testen darf. In meinem Fall mit einem Auto, welches nicht mein eigenes war. Eine günstige Gelegenheit schon einmal an nervös zu werden.
Pflanzgarten: Bekanntlich sind Flügel ja zum Fliegen da. Im Rennsport sollen sie genau das verhindern. Doch am Streckenabschnitt Pflanzgarten verlieren die schnellsten Teilnehmer, egal wie flügelbewehrt, gern einmal den Kontakt zur Straße. Auf dem Weg dorthin hatten wir aber ein weitaus irdischeres Problem: Stau! Die Kolonne arbeitete sich mühsam auf den Parkplatz zu. Grund für die Verstopfung an Ein- und Ausfahrt war ein schlecht geparkter Ford. Einen der Teilnehmer hatte die Technik seines GT 40 verlassen, ob dessen das waidwunde Sportgerät nun hier stand. Den Weg zur Strecke konnten wir uns allerdings sparen, man hatte das Rennen abgebrochen. Ein Teilnehmer war den Folgen eines Herzinfarktes erlegen.
Damit trennte sich unsere Weg erst einmal Etienne Vallaint bezog sein Hotelzimmer um ein wenig zu ruhen und sich danach in den feuerfesten Strampler zu hüllen. Den Navigator und mich zog es derweil zur Nürburg. Dort war alles wie es sich für eine standesgemäße Burg ziemt, inklusiver der unbequemen Lage hoch oben auf einem Berg. Wenigstens kann man sich auf den Abstieg freuen.
Zur Erholung barg uns Quasimodo sicher auf dem Parkplatz an der Zufahrt für Touristenfahrten. Dort waren wir mit Etienne Vallaint verabredet, um unsere eigenen Erfahrungen in der grünen Hölle zu machen. Doch davon ein anderes Mal …
…wird fortgesetzt…
Werl: Von mir wollte dieser 21. Juni 2013 nichts wissen. Als ich theoretisch am längsten hätte wach bleiben können, schickte mich dieser Tag, nachdem die ganze Woche schon nicht sonderlich nett zu mir war, bereits um fünf ins Bett. Ein paar letzte Vorbereitungen traf ich noch tief in der Nacht, aber das war es auch schon.
Wer an einem (arbeitsfreien) Samstag bereits eine halbe Stunde bevor der Wecker unter der Woche läuten würde aufsteht, muss einen am Helm haben. Was der Navigator eindrucksvoll bewies, als er an Treffpunkt eins vorfuhr. Die Kombination aus weißem Bauhelm und verspiegelter Sonnenbrille gemahnte an eine grauenvolle Allianz von Village People und Extasy. Angeblich zehrt er noch heute von meinem Gesichtsausdruck. Diesen konnte ich etwas später selbst bewundern, auf dem Gesicht von Etienne Vallaint. Er sollte für den Tag unser Führer sein.
Nürburgring: Auch wenn wir keine Himalaya Expedition unternahmen, ist es trotzdem praktisch sich der Dienste eines einheimischen Führers zu versichern. Nun wohnt Etienne Vallaint zwar zwei Stunden von der Eifel entfernt, und trotzdem kennt er sich rund um den Nürburgring bestens aus. Das liegt daran, dass er Benzin im Blut hat. Was dazu führt, dass er gerne schnell Auto fährt. Und sympathischer Weise tut er dies nicht vor Kindergärten, in Wohngebieten oder auf der Autobahn (wovon ich mich auf einer sehr entspannten Anreise im Konvoi überzeugen konnte), sondern auf einer abgesperrten Rennstrecke. Dann aber mit Herzblut und Helm, Rennanzug und einem kaum noch alltagstauglichen Auto, sowie speziellen Reifen, die das Wochenende kaum überleben. Doch zunächst waren die Profis dran.
Boxengasse: Es stand ein Lauf zur VLN Langstreckenmeisterschaft auf dem Programm. Ab neun ist Training, wo die Startaufstellung ermittelt wird. Um zwölf beginnt das Rennen und um vier ist der Spuk vorbei. Am Sonntag gehört das fahrende Volk wieder den Familien. Geboten wird Motorsport zum Anfassen. Was man aber tunlichst unterlassen sollte. Hier teilen Menschen ihre Leidenschaft, die viel Zeit und noch mehr Geld verschlingt, mit allen die es interessiert. Wer sich hier wachen Auges und mit entsprechender Vorsicht umsieht, muss nur noch aufpassen, dass er niemanden mit seinen Mundwinkeln um rempelt.
„Musik wird oft als Lärm empfunden, da stets sie mit Geräusch verbunden.“ Auch wenn Wilhelm Busch etwas anderes meinte als die Trillerpfeifen der Streckenposten, das Rattern der Schlagschrauber und das allgegenwärtige Brüllen hoch gezüchteter Motoren. Hatte ich erwähnt, wie großartig ich das fand?
Haupttribüne: Nach dem Training, einem Gang durchs Fahrerlager mit Begrüßung der Heimmannschaft durch Etienne Vallaint, einem Imbiss der als Hommage an die Randsteine der Rennstrecke in Rot-Weiß gehalten war, einem Rahmenrennen welches an den Hornissenflug von Rimski-Korsakov erinnerte und dem Besuch der Startaufstellung, wo sich der Navigator mit 100% der anwesenden Gridgirls ablichten ließ, landeten wir rechtzeitig zum Start auf der Haupttribüne.
Hat es eigentlich schon Versuche gegeben, ob alle genau so viel sehen wenn sie sich hinstellen, als wenn sie sitzen bleiben? Seltsames Massenphänomen halt. In drei Startgruppen donnerten 180 Rennwagen an uns vorbei, wobei die Lautstärke nicht proportional zur Geschwindigkeit war. Nach nur wenigen Runden war eine gewisse Durchmischung erreicht, und die Führenden pflügten durch die langsameren Teilnehmer. Ich nahm mir vor, noch mal „Le Mans“ mit Steve McQueen zu schauen. Derweil zogen wir weiter, um das Rennen auch noch von anderen Stellen aus zu betrachten.
Wir verließen die Strecke durch das Mausoleum. Milliarden wurden hier von Politikern begraben und haben aus der einst profitablen Nürburgring AG einen Pflegefall gemacht. Geplant als Dauerkirmes in Nirgendwo schimmelt nun alles vor sich hin.
Adenau: Den Supermarkt kannte ich. Vor einiger Zeit hatte es mich beruflich hierher verschlagen, und die Wanddekoration blieb mir in Erinnerung. Wo sonst Bilder von Obst, Gemüse und Wurst hängen, sind es hier Rennwagen und Motorräder in abenteuerlichen Schräglagen. Die nahegelegene Unterführung hatte ich damals schon bemerkt, doch nun lernte ich, dass der Streckenabschnitt Breidscheid hier den Ort zerteilt. Von der Böschung aus beobachteten wir das Spektakel.
Am Waldrand: Hier bremste eine Schranke den Ortskundigen Etienne Vallaint aus. Die Alternativen Akkuflex und Fußmarsch schieden aus, so zogen wir weiter.
Döttinger Höhe: Auf der Längsten Gerade des Nürburgrings flogen die Wettbewerber an uns vorüber. Meine Kamera bewies dabei ihre Qualitäten. Der Sportmodus besitzt eine Serienbildfunktion und die Lücken zwischen den Autos sind gestochen scharf.
Wir standen an der Zufahrt, wo nach dem Rennen jeder gegen einen Obolus seine Fähigkeiten am Volant testen darf. In meinem Fall mit einem Auto, welches nicht mein eigenes war. Eine günstige Gelegenheit schon einmal an nervös zu werden.
Pflanzgarten: Bekanntlich sind Flügel ja zum Fliegen da. Im Rennsport sollen sie genau das verhindern. Doch am Streckenabschnitt Pflanzgarten verlieren die schnellsten Teilnehmer, egal wie flügelbewehrt, gern einmal den Kontakt zur Straße. Auf dem Weg dorthin hatten wir aber ein weitaus irdischeres Problem: Stau! Die Kolonne arbeitete sich mühsam auf den Parkplatz zu. Grund für die Verstopfung an Ein- und Ausfahrt war ein schlecht geparkter Ford. Einen der Teilnehmer hatte die Technik seines GT 40 verlassen, ob dessen das waidwunde Sportgerät nun hier stand. Den Weg zur Strecke konnten wir uns allerdings sparen, man hatte das Rennen abgebrochen. Ein Teilnehmer war den Folgen eines Herzinfarktes erlegen.
Damit trennte sich unsere Weg erst einmal Etienne Vallaint bezog sein Hotelzimmer um ein wenig zu ruhen und sich danach in den feuerfesten Strampler zu hüllen. Den Navigator und mich zog es derweil zur Nürburg. Dort war alles wie es sich für eine standesgemäße Burg ziemt, inklusiver der unbequemen Lage hoch oben auf einem Berg. Wenigstens kann man sich auf den Abstieg freuen.
Zur Erholung barg uns Quasimodo sicher auf dem Parkplatz an der Zufahrt für Touristenfahrten. Dort waren wir mit Etienne Vallaint verabredet, um unsere eigenen Erfahrungen in der grünen Hölle zu machen. Doch davon ein anderes Mal …
…wird fortgesetzt…
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