Mittwoch, 7. November 2012
Jahreszeit
Aus der Diaspora
Frankfurt: Das Jahr neigt sich und solidarisch kurz sind auch die Tage. Wo vor wenigen Wochen noch die Sonne über die vor mir liegende Kuppe schien, strahlt nur noch matt die diffuse Lichtkuppel der nahen Großstadt. Nicht mehr lang, und die Häuser liegen in Dunkelheit beim Kommen und Gehen. Elektrische Sonnen erleuchten unser Leben, auf das es nicht zum Erliegen kommt. Hell scheint es aus den Fenstern unserer Behausungen.

Und in der Lampenabteilung des heimischen Baumarkts weist ein Schild auf den Saisonschlussverkauf hin …

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Donnerstag, 1. November 2012
Mangel an Beweisen
Aus der Diaspora
Oerlinghausen: Die Welt wird kleiner. Und das paradoxerweise, weil Grenzen immer weiter hinaus geschoben werden. Alles scheint erreichbar, immer weniger ist zu entdecken. Erst neulich hat der Fall Baumgartners einen neuen Superlativ gesetzt, womit eine Chance großes zu tun genommen wurde.

Und doch gibt es sie noch, die Herausforderungen der Menschheitsgeschichte, denen sich ein Mann ohne millionenschweren Etat stellen kann. Die auch im Kleinen von Mut und Kühnheit zeugen. Die unbesungen bleiben werden, da sie nicht zu beweisen sind. Denn dieser großen Leistung ist es immanent, dass die Portion Spaghetti Bolognese spurlos am weißen Oberhemd vorüber geht.

Yes, I can!

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Sonntag, 21. Oktober 2012
Vögel, Tiger und Schildkröte
Aus der Diaspora
Krefeld: Über die Rheinbrücke in Richtung Osten. Zurück bleibt die Sonne, die heute ein letztes Mal versucht, alles in gleißendes Licht zu tauchen. Voraus eine dunkle, fast schwarze Wolkenwand. Sie bildet die Bühne für einige Möwen, die im Sonnenlicht silbern glänzend vom Wind getragen durch die Luft gleiten.

"Tiger and Turtle"

Duisburg: Hier oben, auf diesem filigranen Stahlgestell, das auf der Halde errichtet wurde, spürt man den Wind sehr deutlich. Er zerrt an der Kleidung, lässt Ärmel und Hosenbeine flattern. Trägt vom nahen Stahlwerk den Geruch verbrannter Kohle und verglühten Metalls herüber. Ein wenig riecht es nach Feuerwerk. Sehr entspannt steige ich später den Hügel hinab.

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Mittwoch, 17. Oktober 2012
Verkehrsverbund
Aus der Diaspora
Herdecke: Auf dem Bahnsteig von sonntäglichen Ausflüglern umspült trifft mich mal wieder die Erkenntnis, dass ich schüchtern bin. Nur wenige Meter entfernt sitzt eine bezaubernde junge Dame mit fliederfarbenen Stiefelchen und unterhält sich angeregt mit ihrer Freundin. Da ich es nicht über mich bringe sie anzusprechen, werde ich nie erfahren ob sie nur vergessen hat die Preisschilder von den Sohlen ihrer neuen Schuhe zu entfernen, oder ob sich um Anweisungen für den Schmied handelt, wenn sie beschlagen wird. Ich beschimpfe mich selbst als Vollidiot, womit wenigstens das Ergebnis gewahrt bleibt.

Retter der Nebenbahnen

Wenig später fährt der historische Schienenbus ein, dem dieser Auflauf gilt. Über den „Teckel“ geht es durch die Hinterhöfe und sogar über die Straßen von Gevelsberg und Ennepetal. Höhepunkt ist der Kruiner Tunnel, der Straßen- und Schienenverkehr dient. Während die Autos per Ampel ausgesperrt werden, durchquert der Zug, über die in der Straße eingelassenen Gleise, den Tunnel.

Ich bin dabei, weil ich meine Ruhr.Topcard ausnutzen will. Sie berechtigt, unter anderem, dazu an dieser Tour kostenlos teilzunehmen. Einfache Fahrt. Ein Schelm der böses denkt. Um niemanden einem Verdacht auszusetzen begleitet Herbie mich. So entere ich den Steuerwagen, der zwar keinen Motor, dafür aber ein Fahrradabteil hat. Was ich auch allen ungeräderten empfehlen kann, die eine derartige Tour machen möchten. Eine Tagesreise mit Dr. Brumm im Uerdinger hatte uns sehr deutlich gemacht, warum der Retter der Nebenbahnen auch gern als roter Brummer tituliert wird. Danach waren wir auch ohne Velo gerädert.

Ob der relativen Ruhe kann ich den Gesprächen der Mitreisenden lauschen. So versucht ein etwa zwölfjähriger Junge seine Mutter dazu zu bewegen, ihm beim Zugbegleiter einen Kakao zu holen. Die ist auch bereit ihre Geldbörse zu öffnen, aber zu mehr auch nicht. Der hin und her wogende Dialog erinnert mich an ein Mannbarkeitsritual wilder Völker, wo die Mutprobe darin besteht dem Zugbegleiter entgegen zu treten um ein Heißgetränk zu erwerben. Ab Gevelsberg wünsche ich mir, dass er endlich in die Gemeinschaft der Erwachsenen aufgenommen wird. Es wird nervig. Den Zug verlässt er an der Endstation immer noch als Knabe.

Ennepetal: Das kurze Stück vom Bahnsteig zur Kluterhöhle trägt der frisch entfaltete Herbie mich. Weil es bis zur nächsten Führung noch eine Stunde dauert, lasse ich den Programmpunkt fallen. Als man mir sagt, dass es doch nur eine viertel Stunde ist, hat sich an der Kasse bereits eine Schlange gebildet. Und Höhlen voller wilder Tiere zu begehen lehne ich ab.

Zurück geht es teils über Hauptverkehrsstraßen, teils auf der Rückseite von Gevelsberg die Ennepe entlang. Die Herbstsonne hat einiges von ihrer Kraft eingebüßt, doch sie strengt sich noch einmal richtig an und taucht die Szenerie in weiches Licht. Anfänglich begegne ich dem Schienenbus auf seinem Rückweg, später höre ich nur noch, wie er sich quäkig hupend seinen Weg bahnt.

Keine Straßenbahn

Hagen: Immer wieder erkenne ich Ecken, wo ich schon mit dem einheimischen Dr. Brumm war. Allerdings bewege ich mich senkrecht zu den bekannten Wegen, immer entlang des Talkessels. Nicht die vom Auto mit Leichtigkeit genommen Hänge hinauf, welche den Fahrradverkehr schon vor Jahren in Hagen aussterben ließ.

Mein Ziel ist das Kunstquartier. Hier hat man an historische Osthaus einen überdimensionalen Glas- und Betonquader geflanscht, der schon äußerlich die verschiedenen Stile der ausgestellten Kunstwerke darstellt. Ich bezahle einen geringen Aufpreis um alle Etagen zu besichtigen und darf mir dafür einen Punkt ankleben. Quasi die Manifestation des neuen deutschen Pragmatismus, ein Kastenzeichen der kulturellen Avantgarde. (Ja, ich durfte als Kind „100 Meisterwerke“ im Ersten schauen.) Im Altbau klassische Gemälde, im Neubau energische Linien auf großformatiger Leinwand. Ich erkenne beides sofort als Kunst. Und auch an. Aber besser gefallen haben mir dann doch die Gebäude.

Kultur. Punkt.

„Sie dürfen ihre Jacke hier nicht über dem Arm tragen. Entweder anziehen oder an der Garderobe aufhängen. Ist eine neue Vorschrift.“ Während ich mich ins Fleece wande, überlege ich zu fragen, ob ich denn die Hände in die Tasche stecken darf, oder ob bestimmte Atemtechniken vorgesehen sind. Andererseits könnte dies als Sarkasmus missverstanden werden und zu sofortigem Hausverbot führen. Der Museumsshop verschafft Linderung.

Wenig später geht es weiter in Richtung Herdecke. Eine Brücke überquert die Gleisanlagen vorm Hauptbahnhof. Über der Halle steigt eine riesige Wolke auf. Was wirkt, als hätten die kofferbombenden Ingenieursstudenten Nachhilfe genommen, entpuppt sich als der Museumszug in Richtung Bochum-Dahlhausen.

Früher heute

Wetter Herbie ruht inzwischen im Kofferraum, er hat seine Schuldigkeit für heute getan. Ich bin auf dem Weg zum Harkortsee, als ich eins dieser großen Bodenschachspiele passiere, wie sie früher in vielen Freizeiteinrichtungen angelegt wurden. Zwei Männer fortgeschrittenen Alters sind in ihre Gedanken vertieft. Ihr Blick ist unverwandt aufs Spielfeld gerichtet. Anfangs erscheint es ungewöhnlich, dass sie nebeneinander sitzen, was aber dadurch erklärt wird, dass sie als Spielfiguren lediglich zwei Bierflaschen haben.

Die MS Friedrich Harkort gleitet über den nach ihr benannten See. Der Diesel wummert gleichmäßig und die tief stehende Sonne glitzert auf den Wellen. Die Wasservögel gehen emsig ihrem undurchsichtigen Treiben nach. Ich sitze an die Reling gelehnt und könnte jeden Augenblick einschlafen. „Summertime, and the living is easy…“

"Wasser Strass!"  "Jawoll, Kapitän Swarovski"

Auf dem Heimweg begegne ich der großen Schwester, die dabei ist ihren Spaziergang zu beenden. Ein unbeholfenes Wendemanöver später nimmt sie den Beifahrersitz des nun stehenden Wagens ein und wir reden über den Tag. Wobei die Adjektivierung des Wagens mit „stehend“ sich als vorschnell herausstellt. Fußgänger und ausparkende Autos erfordern wiederholtes Korrigieren.

Andere Sonntage dürfen sich hieran gern ein Beispiel nehmen.

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Montag, 15. Oktober 2012
Show me your ...
Aus der Diaspora
Titz:

Pubertär, wer busiges denkt.

*gnihihi*

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Tooorr!!
Aus der Diaspora
Trier: Natürlich kann man sich nach getaner Arbeit ins Auto setzen, um eine viertel Stunde vor Feierabend in der Firma zu sein. Oder die Gelegenheit nutzen.

Plattenbau mit Strukturtapete

Eine Bitte an alle, die etwas Gutes tun wollen: Wer immer in seiner Küchenschublade oder im Badezimmerschränkchen noch einige Endlaute (womit kein ersterbendes Röcheln gemeint ist)findet, möge sie nach Trier schicken. So dass die ein Einheimischen „so eine Hose“ tragen können und nicht „so Hos‘“. Auch wenn es niedlich klingt.

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Mittwoch, 10. Oktober 2012
Proud to be …
Aus der Diaspora
Spangdahlem: Der Amerikaner ist ja im Allgemeinen recht stolz auf das was er ist und was er tut. Besonders wenn er für die Streitkräfte tätig ist. Da ist man dann auch schon mal stolz auf sein Arbeitsgerät. So wurden am südlichen Tor der Spangdahlem Air Base mehrere Kampfflugzeuge aufgestellt. Von der F-16 über die A-10 (Warzenschwein) bis zur Phantom wurde einiges aufgefahren.

Auf der Grasfläche am Haupttor steht ganz allein ein Aufsitzrasenmäher.

Ich war übrigens nicht dort, um den tapferen Männern von Airforce und Landschaftspflege zu huldigen. Mein Navi hatte mich dorthin geführt, weil sich dort die Filiale eines amerikanischen Systemgastronomen befindet. Nur wollte ich zum Essen nicht extra das Land verlassen.

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Tatort
Aus der Diaspora
Im Bahnert: In unserem Land gibt es eine Gruppe von Menschen, die fühlt sich diskriminiert, teilweise kriminalisiert. Deshalb tue ich mich schwer, meine auf dem Autobahnrastplatz gemachte Beobachtung einzuordnen. An dem benachbarten Auto lehnt eine Frau. Sie raucht. Allerdings trägt sie an der rechten Hand, welche die Zigarette hält, einen Latexhandschuh. Vielleicht um Spuren zu vermeiden? Kein Fernsehkommissar kommt ohne den Satz „Der Täter trug Handschuhe.“ aus. Eben noch die Kleidung wechseln und verbrennen, anschließend kommt die vom Zigarettenanzünder gespeiste Munddusche zum Einsatz. Somit ist bis hin zum Gewissen alles rein.

Möglicherweise trägt sie den Handschuh auch wegen einer Allergie, oder um das Hautkrebsrisiko zu minimieren. Ist das feuergefährlich Lösungsmittel vom Nagellack noch nicht verdunstet?

Mit der linken Hand hat sie ungeschützten Datenverkehr mit ihrem Smartphone. Noch.

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Montag, 2. Juli 2012
Auf und nieder …
Aus der Diaspora
Bochum: Fröhlich aber ohne Häme hatten sie mich über den Hof geschickt. Ich solle den gegenüberliegenden Eingang nehmen und dann einfach dem Gang folgen. So stand ich vor diesem Riesen aus vergangenen Zeiten. Fünf Stockwerke hoch. Ein ständiges, leichtes Mahlen umgab ihn.

Am Freitag war ich beruflich in Bochum. Eigentlich ein Garant, zusammen mit dem restlichen Wochenendverkehr Protagonist der Verkehrsnachrichten zu werden. Uns hatte man jedoch überschwänglich wie kompromisslos kurz vor Mittag hinausgekehrt. Ich nutzte die Umstände um einen weißen Fleck von meiner persönlichen Landkarte zu tilgen.

Beim ersten Anlauf war ich mit diesem Vorhaben gescheitert. Es war in Hamburg und ich war mit dem Navigator zum Hafengeburtstag dort. Nebenbei wollte ich meine Leben noch diese eine Erfahrung hinzufügen und hatte mir dazu drei ehrwürdige Häuser, tief in der Hamburger Tradition verwurzelt, ausgesucht. Würdevoll und leider geschlossen.

Das Bochumer Rathaus verströmt ebenfalls diese althergebrachte Würde und es war geöffnet. So konnte ich endlich Paternoster fahren. Das erste Zusteigen dürfte auf die abwesenden Anwesenden staksig gewirkt haben, aber alle neuen Beförderungsmittel bedürfen ja etwas Übung. Im Keller (der einen herrlich technischen und vom mir leider vergessenen Namen trägt) raus und mit der nächsten (oder übernächsten) Kabine wieder hoch. Die genial einfache Sicherungstechnik bewundert. Bewegliche Klappen werden von den vorwitzigen Körperteilen aufgedrückt und fallen dank Schwerkraft in ihre Lage zurück. Im oberen Stockwerk allen Schildern folge leistend wieder raus und ab nach unten.

You spin me round ...

Auf dem Weg hinaus Materialisierte sich mit leisem „puff“ ein kleines Teufelchen vor mir und schickte mich zurück. Der Umlauf fehlte noch. So drehte ich eine komplette Runde. Zwar gefahrlos, aber mit der Ruchlosigkeit der verbotenen, oder zumindest unerwünschten, Tat behaftet. Und das in Mitten etlicher deutscher Amtsstuben. Ich brenne auf Wiederholung.

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Montag, 4. Juni 2012
Verstärker
Aus der Diaspora
Bad Brückenau: Dank der Kombination aus altem Holzboden und nicht ganz so altem Holzschrank klingen meine Schritte, als wäre Godzilla im Anmarsch auf Tokio.

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